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Hier will keiner weg

20 Min. | 1993
  • Inhalt

    In dem 20 minütigen Film wird das Leben einer Schaustellerfamilie in der ehemaligen DDR gezeigt, deren besondere Art zu leben nicht nur mehrere Generationen, sondern 5 verschiedene Gesellschaftssysteme überdauerte.
    Der Vergnügungspark Alberti wird von einer Großfamilie von 40 Menschen und reist 10 Monate im Jahr durch die ehemalige DDR. Hervorgegangen ist der Vergnügungspark aus dem Zirkus Alberti, dem die Behörden der DDR 1972 die Lizenz entzogen. Stefan Frank nennt als Grund für den Lizenzentzug, daß den Behörden ihr Zirkus zu groß und ihre Strukturen zu undurchschaubar waren. Obwohl einzelnen aus ihrer Familie Verträge für den Staatszirkus angeboten wurden, lehnten sie diese ab, da sie als Großfamilie zusammenbleiben wollten. Nach zähen Verhandlungen bekamen sie eine Lizenz als Schausteller und gründeten den „Vergnügungspark Alberti“.
    Stefan Frank erzählt, dass bis heute noch niemand aus seiner Familie aus dem fahrenden Leben ausgestiegen sei. Entweder wären sie beim Zirkus oder aber beim Rummel. Da die „Komödianten“ fast nur untereinander heiraten, sind sie als Familie mit fast allen Privatzirkussen in Deutschland verwandt. Bei Stefan Franks Hochzeit im Februar diesen Jahres waren 350 Leute, ausschließlich Komödianten aus Ost- und Westdeutschland; hätte er alle Verwandte und Bekannte eingeladen, wären es über 1000 Gäste geworden.

    Seit wie vielen Generationen ihre Familie zum fahrenden Volk gehört, weiß Stefan Frank nicht. Die Urgroßmutter, die vor zwei Jahren 96 jährig starb gehörte aber schon zum Zirkus Alberti. Sie stammte aus einer Gaukler und Puppenspielerfamilie, die auch schon mehrere Generationen durch die Gegend zogen.

    Früher – so erklärt uns Stefan Frank – wurden sie von den Leuten als Zigeuner beschimpft, und einige von ihnen wären auch Zigeuner gewesen, sie selbst aber nennen sich seit jeher „Komödianten“ oder „Fahrendes Volk“ und hätten nichts mit den im Westen reisenden Schaustellern gemein. Denn ihre Lebensform ist die reisende Großfamilie, die seit Generationen zum Fahrenden Volk gehört. Ihre Geschäfte als Schausteller betreiben sie in erster Linie, um mit ihrer Lebensform überleben zu können und um den Menschen weiterhin das Vergnügen zu bringen.

    Seit der Maueröffnung und der Wiedervereinigung hat sich an ihrem eigentlichen Leben als fahrende Großfamilie nichts verändert und dennoch gehen die gesellschaftlichen Veränderungen auch nicht spurlos an ihnen vorüber. So verschmähten die DDR-Bürger nach der Wende den kleinen Rummel und gaben ihr Geld lieber auf den großen Jahrmärkten im Westen oder aber für neue Konsumgüter in den Kaufhäusern aus. Um überleben zu können, investierten die „Albertis“ in neue (gebrauchte) Karussells und neue Buden aus dem Westen und sind nun gegenüber den Banken hochverschuldet. Mittlerweile geht ihr Geschäft wieder besser, aber sie sind natürlich abhängig von der Konjunktur: in „schlechten Zeiten“ wird nicht so viel Geld für das Vergnügen ausgegeben.

    Aber die Albertis sind zuversichtlich, denn sie haben den Kaiser, die Republik, den Faschismus und die DDR überlebt, warum sollten sie nicht auch die neue Gesellschaft überdauern?

  • Team

    Buch und Regie: Quinka F. Stoehr und Fredo Wulf
    Kamera: Quinka F. Stoehr
    Ton: Fredo Wulf
    Dramaturgische Beratung: Gisela Tuchtenhagen, Klaus Wildenhahn

    Gefördert durch
    Kulturelle Filmförderung Schleswig-Holstein

    Ausgewählt für die Reihe: „Dokumentarischer Blick“
    Eine Gemeinschaftsproduktion von Filmförderungen, Filmhochschulen und dem NDR zur Förderung von Nachwuchsdokumentaristen

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